Lothar Matthäus und Sebastian Hellmann grüßen jeden Sonnabend vom „Tipico Topspiel“ und analysieren die vermeintlich attraktivste Partie des Bundesligaspieltags. Davor dürfen sich die Zuschauer des Sportsenders Sky auf den „Tipico Countdown“ freuen, der sie auf die folgende Bundesliga-Konferenz einstimmt. In der Werbepause bewerben Moderatorin Laura Wontorra und Schauspieler Frederick Lau, wahlweise mit großem Enthusiasmus oder betonter Lässigkeit, Marken wie „Neobet.de“ und „bet365“. Es zeigt: Anbieter für Sportwetten sind aufs tiefste verbandelt mit dem deutschen Profifußball.
Die öffentliche Präsens von Wettanbietern im Sport ist vielen ein Dorn im Auge – nicht nur in Deutschland. Durch Werbung mit prominenten Persönlichkeiten täuschen die Anbieter über die potentiell fatalen Folgen einer Wettsucht hinweg. Nachdem die Serie A und La Liga das Problem konsequent angegangen ist, zieht nun die Premier League nach. Die 20 Vereine der ersten englischen Liga einigten sich nach spanisch-italienischem Vorbild auf ein Verbot von Wettanbietern als Haupttrikotsponsor. Eine Reform die hart erkämpft werden musste und eine Reform die, wenn es nach ihren Initiatoren geht, nicht die letzte bleiben wird.
In einem extra anberaumten Treffen entschieden sich die Klubs der Premier League am vergangenen Donnerstag für ein Verbot von Wettanbietern auf der Trikotbrust. Laut Informationen der Zeitung „The Times“ stimmten 18 der 20 Erstligisten für den Beschluss. Betroffen sind acht Vereine der Liga: Brentford, Everton, Fulham, Leeds, Newcastle, Southampton, West Ham und Bournemouth bleiben nun drei Jahre Zeit, bis zum Saisonbeginn 2026/2027, um einen neuen Brustsponsor zu präsentieren. Ein sofortiges Verbot kam für die Klubs nicht infrage, da mit einer solchen Entscheidung noch höhere finanzielle Verluste einhergegangen wären als ohnehin schon. „The Athletic“ schätzt die Einnahmen der genannten Klubs aus den Sponsorenverträgen auf insgesamt umgerechnet 75,1 Millionen Euro.
Die Liga veröffentlichte nach dem Treffen der Vereinsvertreter eine Mitteilung, in der vom „umfangreichen Austausch mit der Liga, den Vereinen und dem zuständigen Ministerium im Zuge der andauernden Neubetrachtung der aktuellen Glücksspiel-Gesetzgebung durch die Regierung“ die Sprache war. Des Weiteren ist in der Mitteilung die Rede von einem Austausch der Premier League mit anderen Sportligen. Ziel sei es, gemeinsam einen besseren Umgang mit der Sponsorentätigkeit von Wettanbietern zu etablieren.

Sportwetten in Großbritannien: Ein bekanntes Problem
Declan Rice, Robin Koch und Kollegen tragen also in Zukunft keinen „betway“- oder „SBOTOP“-Schriftzug mehr auf der Brust. Mit dieser Regelung kommt die Premier League einem wohl ohnehin bald folgenden gesetzlichen Verbot zuvor. Die britische Regierung hatte bereits mehrfach angekündigt, die veraltete Glücksspiel-Gesetzgebung reformieren zu wollen – verschob das Vorhaben aber nicht nur einmal. Das Vereinigte Königreich ist laut dem Wirtschaftsmagazin „Capital“ mit einem jährlichen Umsatz von knapp 20 Milliarden Euro der fünftgrößte Wettmarkt der Welt. Bereits 2018 bezeichnete der sozialdemokratische Politiker Tom Watson die steigende Zahl von wettsüchtigen Sportfans auf der Insel als „öffentlichen Notstand.“
Wettanbieter sind in den vergangenen Jahren immer sichtbarer geworden. Die Werbung führt zu einer bewussten Verharmlosung des großen Suchtpotenzials von Sportwetten. Im Jahr 2020 zeigte eine Studie der britischen Kampagne „The Coalition Against Gambling“, dass sich ein Drittel von Englands Fußballfans gegen Trikotwerbung von Glücksspielanbietern ausspricht. Trotzdem tun sich die Entscheidungsträger des Sports schwer, tiefgreifende Maßnahmen zu treffen. Zwar prangt das „W88“- oder „bet365“-Logo bald nicht mehr auf der Trikotbrust, Wettanbieter dürfen aber in Großbritannien weiterhin auf Werbetafeln im Stadion und auf Trikotärmeln werben. Eine inkonsequente Regelung – findet zumindest James Grimes. Grimes war früher süchtig nach Sportwetten und gründete die Kampagne „The Big Step“, die sich für eine Fußballwelt ohne Wettanbieter-Werbung einsetzt. Den jüngsten Vorstoß der Premier League bezeichnete er gegenüber „The Athletic“ als „Anerkennung der großen Schäden, die durch Werbung von Wettanbietern verursacht wird“. Ebenso betont Grimes, die gleichzeitige Duldung der Ärmel- und Reklamewerbung „passt damit nicht zusammen.“ Ohne die konsequente Durchsetzung weiterführender Regeln sieht Grimes die Gefahr, „das Leben und die Gesundheit der jungen Fan-Generation zu riskieren.“
ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeTlsCpu9StZLChlJq%2FbsPIpaOepl9tgXKAl3Bu